40 Millionen Kontakte – wer so engen Draht zu seiner Zielgruppe haben will, muss viel Mediabudget investieren. Oder oft am Hörer sein. Wie die Barmer GEK, die im Dialog mit ihren 8,7 Millionen Kunden pro Jahr 20 Millionen eingehende und ebensoviele ausgehende Telefonate führt.
Entsprechend großen Wert legt die Barmer GEK auf die optimale Ausgestaltung dieser Kundenkontakte, wie Jürgen Schillings, Abteilungsleiter Kundenbeziehungsmanagement bei der Wuppertaler Zentrale der Kasse, am Montagabend im Dortmunder Marketing-Club deutlich machte.
Ganz falsch kann die Barmer dabei nicht liegen, denn immerhin landete die Krankenkasse beim Wettbewerb „Kundenorientiertester Dienstleister 2012“ auf dem ersten Platz. Das Ranking, das von der Universität St. Gallen, der Ratingagentur Service-Rating sowie dem Handelsblatt ausgerichtet wird, lief zum siebten Mal – in der Endrunde setzte sich die Barmer gegen renommierte Mitbewerber aus allen Branchen wie dem Stromanbieter „Lichtblick“ oder dem Heimservice „eismann“ durch. In ihrer Beurteilung hob die Jury insbesondere auf die individuelle Betreuung der Kunden ab. Das gelingt der Kasse offenbar sogar am besten bei den eher kurzen Telefonaten, die die Krankenkassen-eigenen Callcenter aus dem „Service-Telefon“-Bereich führen. Schillings: „Nur drei Minuten ist da der Kunde durchschnittlich am Draht, die anderen Mitarbeiter haben bis zu dreimal längeren Kontakt.“ Trotzdem funktioniert das gut. Denn zwar zeigten interne Studien, dass die Kundenzufriedenheit bei der Telefonbetreuung insgesamt „nur“ im Durchschnitt aller Kassen liege, das Service-Telefon der Barmer GEK aber viel besser, sogar besser als die branchenbeste Kasse abschneide.
Wie das sein kann? Schillings: „Wir haben festgestellt, dass manche Kollegen außerhalb des Service-Telefon-Bereichs dazu neigen, ihr Fachwissen den Kunden am Telefon recht intensiv unter Beweis zu stellen.“ Auf den Paketversand übertragen sei das so, als bekäme man detailreich auf der Post erklärt, wie der Frachtweg verläuft – obwohl man doch nur hören wolle: „Alles klar, hier haben Sie noch was vergessen auszufüllen, das schreibe ich für Sie mal rein und morgen ist das Ganze vor Ort.”
Das am Beispiel des Service-Telefon-Bereichs erkannte Potenzial im eigenen Haus soll nun dafür sorgen, dass die Krankenkasse auch in Zukunft bestens positioniert ist – allerdings nicht über „wieder eine neue Pflicht-Schulung. Die Guten langweilen sich und die, die es nötiger haben, sperren sich oft“. Die Barmer GEK setzt daher auf ein neues Konzept, das der „Ansprechpartner für Kunden-Service" (AKS).
Mitarbeiter, die Kundenorientierung bereits jetzt leben, sollen als interne Coaches ihr Gefühl und ihr Know-how im Umgang mit Kunden im Alltag den Kollegen weitergeben. „Wichtige Prinzipien sind Augenhöhe und Freiwilligkeit“, betont Schillings. So seien normale Kollegen besser geeignet, ihren Mitstreitern den Spiegel vorzuhalten. Und über die Freiwilligkeit kommt man zunächst an die heran, die wirklich daran interessiert sind, voranzukommen – andere folgten dann fast automatisch. Die Ergebnisse der Pilotphase sprechen in der Tat für sich. Denn die überwiegende Mehrzahl der Beftragten gab an, dass sie ihre Kommunikation mit den Kunden in neuem Licht sehen würden. Und über 60 Prozent gaben an, bestimmt wieder auf die Unterstützung ihrer AKS-Kollegen zurückgreifen zu wollen. Kein Wunder also, dass sich die Bamer GEK auch 2013 wieder dem Wettbewerb stellt, und es sieht aus, als sei sie bestens dafür gerüstet.
Unter dem Motto „Kundenorientierung in einem unsexy Markt" veranstaltete der Marketing-Club (MC) Dortmund den ersten Vortragsabend des neuen Jahres im Kongresszentrum Westfalenhallen. MC-Präsident Horst Müller (rechts) begrüßte als Referenten Jürgen Schillings (links) von der Barmer GEK. Der Abteilungsleiter Kundenbeziehungsmanagement gab Einblicke in die Marketingpraxis der Gesundheitskasse, die im bundesweiten Wettbewerb „Deutschlands kundenorientierteste Dienstleister 2012" den ersten Platz belegte.
Der MC Dortmund ist ein Berufsverband für im Marketing tätige Führungs- und Nachwuchskräfte. Zu den mehr als 360 Mitgliedern zählen Unternehmer, Geschäftsführer, Marketing- und Vertriebsleiter, Produktmanager, Werbefachleute, Unternehmensberater, PR-Spezialisten und Wissenschaftler. Der MC Dortmund vertritt seine Mitglieder seit 1958 als einer von bundesweit 65 Marketing-Clubs.
Fotovermerk: Jan Heinze